Teil 5
Das Leben ist nicht freudlos

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Das Leben ist nicht freudlos



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Depressionen, die durch körperliche Krankheit ausgelöst werden.
Bei somatogenen Depressionen liegen nachweisbare körperliche Erkrankungen mit krankhaften Organveränderungen vor.
Die Depression ist in diesen Fällen also körperlich und nicht seelisch bedingt.
Allerdings kann die einer somatogenen Depression zugrundeliegende körperliche Erkrankung erst dann wirklich geheilt werden, nachdem auch die Depression als Folge der körperlichen Störung erkannt und behandelt wird.
Durch den engen Zusammenhang von Körper und Seele entsteht hier ein Verwirrspiel, das an einigen konkreten Beispielen im Folgenden aber sicher zu klären ist.

Häufig sind Infektionskrankheiten die Ursache für eine somatogene Depression.
Die Infektion schwächt den Körper und verbraucht so viel Energie, dass wir uns noch über die eigentliche Krankheit hinaus erschöpft, niedergeschlagen und traurig - also deprimiert fühlen.
Fast jeder kennt die Situation nach einer schweren Grippe, nach deren Abklingen man sich noch über Tage hinaus niedergeschlagen fühlen kann.

Ein anderes Beispiel ist die Depression in Zusammenhang mit einer Unterfunktion der Schilddrüse.
Wird bei Unterfunktion der Schilddrüse nicht genügend Schilddrüsenhormon (Thyroxin) gebildet, so verlangsamt sich der gesamte Stoffwechsel und der oder die Betroffene fühlt sich abgeschlagen, müde und schwunglos.
Wird die Schilddrüsenunterfunktion über längere Zeit nicht erkannt und behandelt, so sind die Symptome dieser "hormonellen Depression" von denen einer seelischen Depression kaum zu unterscheiden.
Allerdings kann durch einen Bluttest schnell festgestellt werden, dass hier ein zu niedriger Thyroxinspiegel - also eine Unterfunktion der Schilddrüse - der Grund für die Depression ist.

Ein weiteres Beispiel:
Rund ein Drittel aller Mütter kennt das meist nur zwei oder drei Tage dauernde körperliche und seelische Tief nach der Geburt.
Auch dieser depressive Zustand ist auf eine hormonelle Umstellung und auf die psychische und körperliche Erschöpfung durch die Geburt zurückzuführen.

Allerdings sind diese "Heultage" nicht mit der sogenannten Wochenbettdepression, die wesentlich länger und schwerer verläuft, gleichzusetzen.
Bei der Wochenbettdepression leiden die betroffenen Frauen unter starken Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen und der Angst, das Kind nicht versorgen zu können.
Auch bei dieser Erkrankung, die ein halbes Jahr und länger andauern kann, ist eine Stoffwechselstörung und nicht die neue psychologische Situation nach der Geburt des Kindes der Auslöser;
dass die neue, alle Kräfte der Mutterfordernde Situation diesen Zustand verstärkt, darf allerdings nicht übersehen werden.

Zu den körperlichen Auslösern und Ursachen einer somatogenen Depression gehören aber auch Erkrankungen des Gehirns selbst.
Altersbedingte Durchblutungsstörungen, Infektionen, die eine Hirnhaut- oder Hirnentzündung verursachen, rumore, Hirnverletzungen und ein Schlaganfall können zu depressiven Zuständen ohne psychologischen Zusammenhang führen.


Die Biologie der Depression

Abgesehen von somatogenen Depressionen, bei denen es definitionsgemäß immer eine körperliche Ursache gibt, erscheinen die biologischen Ursachen der Depression heute nach immer neuen Ergebnissen naturwissenschaftlicher Forschung zunehmend vielfältiger und komplexer.
Die relativ einfachen Depressions-Modelle der 5o'er und 6o'er Jahre sind durch die Fortschritte vor allem auf den Gebieten der Biochemie und der Neurophysiologie heute nicht mehr zu halten.

Auf der rein körperlichen Ebene ist man sich heute allerdings vor allem über drei Aspekte der Depression einig.
Diese Anzeichen spiegeln die Depression auf körperlicher Ebene, und sie können als äußere Zugangsweise z. B. Auskunft über eine Verbesserung oder Verstärkung der Erkrankung geben:

Die Depression hat ein bestimmtes psychomotorisches Erscheinungsbild:
Die durch die willkürliche Muskulatur verursachte Mimik, Gestik und Haltung ist durch Einschränkungen und Starrheit geprägt.

Die durch das vegetative Nervensystem beeinflusste Hautdurchblutung ist herabgesetzt.
Die Haut erscheint blass, schlaff und kalt.

Durch eine verminderte Aktivität des Dickdarms kommt es zu regelmäßigen Verstopfungen.
Häufig werden auch Appetitstörungen festgestellt.

Im Hintergrund dieser drei Gruppen von Erscheinungen ist ein Mangel der für die Informationsübertragung im Nervensystem verantwortlichen Botenstoffe (Neurotransmitter) Serotonin und Noradrenalin zu beobachten.
Zahlreiche Untersuchungen haben diesen Mangel immer wieder nachgewiesen, und so zielt auch die Behandlung mit modernen, antidepressiv wirksamen Medikamenten darauf ab, diesem Mangel entgegenzuwirken.

Unser zentrales Nervensystem besteht aus mehreren Milliarden Nervenzellen, die in ihrer Gesamtheit, durch hochkomplizierte "Schaltpläne" untereinander vernetzt, alle unsere Körperfunktionen, unsere Bewegungen, unsere Wahrnehmung, unser Denken und Fühlen und noch einiges mehr steuern und verursachen.

Die einzelnen Nervenzellen stehen durch "elektrische Impulse" und durch bestimmte "Botenstoffe" untereinander in Verbindung.
Eine Nervenzelle erzeugt einen elektrischen Impuls und schickt ihn über ihre Fortsätze wie durch ein Kabel an eine andere Nervenzelle.


Am Ende des Fortsatzes, oder besser gesagt, der Nervenendigung, wird die elektrische Information - der Impuls - in eine chemische Information in Form eines Botenstoffes - zum Beispiel Serotonin und/oder Noradrenalin -umgewandelt.
Diese Botenstoffe übertragen die Botschaft auf den Fortsatz einer anderen Nervenzelle und werden dort - wieder in einen elektrischen Impuls umgewandelt - weitergeleitet.


Bei der Depression findet man eine Störung der speziellen Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin.
Starke oder lang andauernde psychische Belastungen, aber auch bestimmte körperliche Erkrankungen können die Balance dieser Botenstoffe durcheinanderbringen.
Ein Mangel an Serotonin und Noradrenalin zwischen den Nervenendigungen bewirkt Kommunikationsstörungen im Netzwerk des Nervensystems, die sich nach außen fortsetzen, und zeigt sich in den als Depression bekannten körperlichen und psychischen Veränderungen.

Der beschriebene Mangel an Botenstoffen (Neurotransmittern) steht in enger Beziehung zu den oben genannten Anzeichen:

Einschränkung des Ausdrucks (Mimik, Gestik)

Einschränkung der Hautdurchblutung

und Einschränkung von Appetit und Verdauung.

Darüber hinaus ist so gut wie immer eine Störung der normalen, über den Tag hinweg zu beobachtenden Aktivitätsrhythmen festzustellen:
Die innere Uhr depressiver Patienten geht anders, sodass sie nicht im Einklang mit den Rhythmen der umgebenden Natur sind.
Schwer Depressive wachen meist schon sehr früh nach einem gestörten und oft kurzen Schlaf auf.
Sie fühlen sich dann zerschlagen und leiden unter einem sogenannten Morgentief.

Die Kommunikationsstörung der Nervenzellen untereinander hat sowohl eine Auswirkung auf das körperlich-seelische Befinden des depressiv Kranken als auch auf seine zwischenmenschliche Kommunikation.

Der Mikrokosmos des Nervensystems ist mit dem Makrokosmos des sozialen, zwischenmenschlichen Systems vernetzt.
Die Kommunikations-Störung setzt sich von innen nach außen, vom Kleinen ins Große fort.
Es besteht hier eine sich zwischen den Systemen fortpflanzende Störung, der für eine erfolgreiche Behandlung der Depression am besten von zwei Seiten her begegnet werden sollte:
durch ein Medikament von innen nach außen

und durch eine Psychotherapie von außen nach innen



Die Psychologie der Depression
Die äußere Wahrnehmung und Akzeptanz der Depression
Die meisten Menschen gehen erst dann zum Arzt, wenn eine Störung - meist eine körperliche - ein gewisses Maß an Beeinträchtigung überschritten hat.
Häufig sind dann sowohl die Ärzte als auch die Patienten in ihrer Wahrnehmung darauf eingerichtet, einen körperlichen Grund als Ursache der Beschwerden festzustellen.
Obwohl nur für ein Drittel aller durch Allgemeinärzte behandelten Krankheiten eine konkrete körperliche Ursache gefunden werden kann, führt diese Einstellung immer noch dazu, dass seelisch bedingte Störungen verschleppt werden.
Die Erfahrung zeigt, dass es bis zu acht Jahren dauern kann, bis eine psychische Erkrankung erkannt und richtig behandelt wird.

Noch immer wird eine körperliche Erkrankung in unserer Gesellschaft eher akzeptiert als eine seelische.
Es gibt deshalb auch ein wesentlich breiteres Angebot zur Behandlung körperlicher als seelischer Erkrankungen.
Trotzdem wächst überall das Wissen über seelische Erkrankungen, und so wird heute kaum noch abfällig über Patienten gesprochen, die "es mit den Nerven haben".

Mittlerweile gibt es keine Diskussion mehr darüber, dass psychische Erkrankungen ernst genommen werden müssen.
Bereits leichtere Depressionen werden als Signale eines Alarmsystems verstanden, das z. B. vor zu starker Stressbelastung, allgemeiner Überlastung und Überarbeitung warnt.
Obwohl psychische Erkrankungen wie Depressionen zunehmend größere Beachtung finden, gibt es sowohl bei Krankenkassen als auch bei den Patienten selbst immer noch Vorbehalte und Hindernisse gegen eine wirklich umfassende medizinische und psychologische Behandlung.

Der Kranke fühlt sich häufig in einer Situation gefangen, die durch Schwäche, Energieverlust, totale Erschöpfung und verminderte Konzentrationsfähigkeit gekennzeichnet ist.
Er hat das quälende Gefühl, unzulänglich und nutzlos zu sein und leidet dabei unter Schuldempfinden und einem herabgesetzten Selbstwertgefühl.

Einige Patienten haben - vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen mit älteren Antidepressiva, die auf moderne Antidepressiva allerdings nicht mehr zutreffen - immer noch Vorbehalte gegen eine medizinisch-medikamentöse Therapie.

Andere Patienten vermeiden aus Berührungsängsten eine zusätzliche Psychotherapie.

Und die Krankenkassen fordern für die Kostenübernahme einer Psychotherapie immer noch ein spezielles, relativ aufwendiges und zeitraubendes Beantragungsverfahren.

Aber das Bewusstsein für eine umfassende Behandlung der Depression wächst mehr und mehr, und im Vergleich zu anderen Ländern ist das pharmakotherapeutische Behandlungsangebot in Deutschland trotz allem sehr gut.


Die innere Wahrnehmung der Depression
- das subjektive Krankheitserleben
Fast alle, die zum ersten Mal an einer Depression erkranken, können die Veränderungen, die mit ihnen vorgehen, nicht verstehen.
Sie können sie nicht einordnen und fühlen sich stark verunsichert, wenn sie feststellen müssen, dass sie nicht mehr wie früher wahrnehmen und denken können:

Sie fühlen sich innerlich leer, und trotzdem rast ihnen ein Chaos von Gedanken durch den Kopf.

Sie fühlen sich müde und trotzdem unruhig.

Sie stellen plötzlich fest, dass sie Mühe haben, auch nur einem einfachen Gedanken nachzugehen, oder dass sie kaum noch etwas im Gedächtnis behalten können.

Schwer Depressive fürchten deshalb häufig, dass sie "den Verstand verlieren", so stark sind sie durch diese Veränderung irritiert.
Sie leiden unter dem Zwang, denken zu müssen, ohne denken zu können.
Sie denken vor allem über ihre Vergangenheit nach.

Ohne die vergangenen Probleme lösen zu können, verstricken sie sich in Grübeleien, die sie völlig blockieren.
Grübelzwang und Denkhemmung verbinden sich zu einem unglücklichen Kreislauf, in dem sie letztlich auf der Stelle tretend niemals zur Ruhe kommen.
Diese Ausweglosigkeit löst häufig eine große Angst aus, der ein depressiv Erkrankter um so schonungsloser ausgeliefert ist, je wacher und klarer er seinen Zustand beobachtet.

Der unter einer Depression leidende Mensch empfindet sich häufig von ihm unerklärlichen Kräften beherrscht und an seinen bisher als normal erlebten Fähigkeiten gehindert.
Während in ihm die Gedanken um immer ein und dasselbe kreisen, ist er blockiert.
Er erlebt sich in einer "rasenden Blockiertheit" und fühlt sich dabei von der Welt um ihn herum wie abgeschnitten.
Dieses Erlebnis stürzt ihn mitunter in eine ohnmächtige Angst, die auch noch zunimmt, je angestrengter er einen Ausweg aus diesem für ihn absolut realen Alptraum sucht.

So erlebt er den Raum um sich herum zunehmend eingeengt und fühlt sich in seinem immer enger werdenden Lebensraum im wörtlichen Sinne so bedrückt, dass es auch zu einem veränderten Erlebnis des eigenen Körpers kommt.
An einer schweren Depression erkrankte Menschen fühlen sich starr.
In Extremfällen scheint der Körper zu bloßer Materie zu werden.

Ein afrikanischer Stamm beschreibt das körperliche und seelische Erlebnis der Depression sehr bildhaft und eindringlich:
"...mein Herz ist in einer hölzernen Schachtel..."

Meistens wird das durch die Depression veränderte Körpergefühl auch als "bleierne Müdigkeit in Armen und Beinen" oder als eine "Zentnerlast auf den Schultern" beschrieben.

Depressive können sich mit diesem veränderten Körpererleben und der damit verbundenen Einschränkung ihrer Möglichkeiten nicht abfinden.
Sie können ihre Situation meist nicht als Signal für einen tiefgreifenden, Seele und Körper umfassenden Erschöpfungszustand akzeptieren.
Ganz im Gegenteil:
Je pflichtbewusster sie sind, desto mehr kämpfen sie gegen diesen Zustand und damit auch gegen sich selbst an.
Besonders Menschen, die es gewohnt sind, sich und alles um sie herum immer "unter Kontrolle" zu haben, kämpfen bis zum Zusammenbruch und können dann immer noch nicht aufgeben.
Das Gefühl, versagt zu haben und durch den eigenen, erstarrten Körper am Ausüben der Pflicht gehindert zu werden, wird dann zu einem ausweglosen Problem und schlägt in einen unendlichen, depressiven Schmerz um.

Verbunden mit dem veränderten Erleben des eigenen Körpers und des Raumes erleben an einer Depression erkrankte Menschen auch den Fluss der Zeit anders.
Die persönliche Zeit verlangsamt sich immer mehr und stockt mitunter ganz.
Die eigene innere Uhr scheint still zu stehen, während die Uhren der anderen weiter laufen:
"Ich komme nicht voran.", "Ich bin wie gelähmt und bleibe hinter meinen Pflichten zurück.", "Ich stehle Zeit."
Depressive sind dann wie von der Zukunft abgeschnitten.
Während die Zeit stockt, holt die Vergangenheit sie ein.
Zurückliegende kleine Fehler häufen sich zu bedrohlichen Bergen, durch die die Wahrnehmung der Gegenwart völlig verändert werden kann.

Positive Situationen und Sonnenschein hellen dann die Stimmung des Depressiven nicht etwa auf, sondern werfen dunkle Schatten.
Sie machen ihm die Situation seiner Krankheit besonders deutlich und - konfrontiert mit der Schönheit und Lebendigkeit um ihn herum - fühlt er sich dann besonders tot, arm und leer.

Geselligkeit führt ihm seine Einsamkeit vor Augen.
Alles um ihn herum nimmt er als Maßstab für seine Andersartigkeit wahr.
Er fühlt sich den Blicken anderer hilflos ausgesetzt.
Während sein Selbstwertgefühl sich verschlechtert, glaubt er sich von außen beurteilt, abgewertet und angestarrt.

Es ist für Depressive kaum möglich, zu erkennen, dass sie sich durch die eigene Selbstkritik immer stärker entwerten, und in schweren Fällen der Depression ist es durchaus möglich, dass wahnhaft gesteigerte Selbstvorwürfe einen letzten Versuch darstellen, wenigstens die Selbstbeurteilung nicht aus der Hand zu geben.

Aber auch in weniger extremen Fällen ist das anderen unterstellte Urteil so bedrohlich, dass sich viele Depressive durch eine selbst auferlegte Isolation schützen müssen.
Dabei wird dann auch die Entfernung zu Verwandten und Freunden immer größer.
Das ist umso schmerzlicher, weil depressive Menschen in ihrem Innersten geradezu nach Kontakt und liebevoller Zuwendung hungern, sich die Erfüllung dieses Bedürfnisses aber aufgrund ihres Selbstwertverlustes nicht zugestehen können.

Rat und Hilfe im Gesundheitsarchiv

HIER...
Adressen wo sich Betroffene, an Depression oder anderen psychischen Erkrankungen Leidende oder ihre Angehörigen Rat und Hilfe holen können



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Die Unterscheidung verschiedener depressiver Erkrankungen
Die zur Unterscheidung verschiedener depressiver Erkrankungen benutzten Begriffe stiften eine wahrhaft babylonische Sprachverwirrung.
Je nach medizinisch-psychiatrischer oder psychologischer Schule gibt es hier die verschiedensten Bezeichnungen.
Geht man aber einmal vom Krankheitserleben der Betroffenen aus, so kann man vor allem zwischen zwei Gruppen von Patienten unterscheiden:
Die einen fühlen sich "grundlos, aber von Grund auf verändert".
Sie erleben ihre Krankheit als etwas, das ihnen auferlegt wurde.
Diese Formen der Depression bezeichnet man als Melancholie, Schwermut oder auch als endogene Depression.

Die anderen an einer Situation erkrankten Menschen erkennen einen Grund, ein Motiv für ihr Leiden.
"Sie erkranken an einer Situation oder an sich selbst."
Diese Form der Depression wird als reaktive oder auch psychogene Depression bezeichnet.


Diese Unterscheidung ist insofern fruchtbar, als sie darauf hinweist, dass sich der Kranke mit einer reaktiven Depression noch in einem Zusammenhang mit seiner Umwelt erlebt, während der endogen depressive, der Melancholiker, sich von der Gemeinschaft oder eigenen inneren Bezügen abgetrennt fühlt.

Eine reaktive Depression entsteht meist, wenn innere und äußere Konstellationen zusammenwirken.
Eine belastende Vorgeschichte, die oft bis in die frühe Kindheit zurückreicht, bildet den inneren Kern.
Ein äußerer Anlass, der bewusst oder unbewusst mit diesem inneren Kern in Verbindung gebracht wird, löst dann die Depression aus.
Der Verlust eines geliebten Menschen, eine gravierende Veränderung der Lebensumstände, das Herausgerissen-Werden aus einer vertrauten Umgebung, all das kann zu einem derartigen Anlass werden.
Wenn der Verlust oder die Veränderung nicht verarbeitet wird, kann es zu einer depressiven Reaktion kommen.

Kritische Lebensphasen wie die Pubertät, die Zeit nach der Geburt eines Kindes, ein neuer Berufsanfang, die Wechseljahre bei der Frau, die sogenannte Lebensmitte beim Mann oder auch die Pensionierung und Berentung können die äußeren Auslöser für eine reaktive Depression sein.

Endogene Depressionen beginnen häufig schleichend.
Stressfaktoren wie auch belastende Krankheiten können am Anfang einer endogenen Depression stehen.
Die Ursachen sind nicht eindeutig geklärt.
Der Zusammenhang einer Stoffwechselstörung (der Botenstoffe, die für die Kommunikation der Nerven untereinander notwendig sind) mit einem komplexen System psychosozialer Faktoren in der Geschichte des Betroffenen ist aber wahrscheinlich.

Die Symptome der endogenen Depression stimmen mit denen der reaktiven Form weitgehend überein.
Dadurch, dass sich der Kranke aber von der Gemeinschaft oder den eigenen inneren Bezügen abgetrennt erlebt, ist es für andere Menschen besonders schwierig, mit ihm umzugehen.

Unter der Niedergeschlagenheit und Hilflosigkeit der Depression kommt oft eine versteckte und nicht ausgelebte Aggression zum Vorschein.
Der Kranke spürt dabei Wut und Ärger aber kaum.
Er leugnet und versteckt sie auch vor sich selbst, weil er Angst hat, seine Mitmenschen durch seinen Zorn zu verschrecken oder zu verlieren.
So kommen die Aggressionen nur unbewusst und indirekt durch Klagen und versteckte Vorwürfe zum Ausdruck.

Dadurch, dass der Kranke sich in seiner Angst, die anderen zu verlieren, in ein kompliziertes Labyrinth unbewusster Schutzmechanismen verstrickt, wird er besonders hilflos.
Und gerade diese Hilflosigkeit überträgt sich dann auf seine Umgebung.

Immer wieder die Klagen eines Depressiven über sich ergehen lassen zu müssen, sich immer wieder durch seine Hilflosigkeit genötigt zu fühlen, ist enorm belastend für jeden Angehörigen.
Diese Belastung führt zwangsläufig zur Verärgerung, wenn man immer wieder erleben muss, dass der depressive Kranke nicht in der Lage ist, die Fähigkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, zu erkennen, dass er, statt sie zu nutzen, sich fast wahnhaft daran klammert, sie nicht zu haben.

In derart zermürbenden Situationen erfahren Sie als Partner des Depressiven durch das Erlebnis Ihrer eigenen Hilflosigkeit das, was der Kranke an inneren Qualen mit sich selbst auszuhalten hat.
Wenn es Ihnen in solchen Situationen gelingt, dieses auf Sie übertragene Mit-Gefühl der Hilflosigkeit zu akzeptieren, haben Sie vielleicht einen Schlüssel gefunden, mit dem Sie Ihren Partner aus der Isolation befreien können.
Das Eingeständnis Ihrer Hilflosigkeit kann dann einen Kontakt zwischen zwei Betroffenen herstellen.

Ein soziales und kommunikatives Bild:
Die Beziehung in der Depression
Eigentlich hat jede Krankheit eine Auswirkung auf die Beziehung des Erkrankten zu seiner Umgebung.
Dies trifft in besonderem Maße auf die Depression zu.
Kaum ein anderes Krankheitsbild greift so tief in das Zwischenmenschliche ein wie eine länger andauernde Depression.

Durch den Kontakt mit dem depressiv Kranken wird so gut wie jeder Mensch verunsichert, weil die Kommunikation - durch die Depression blockiert - nicht in gewohnter Weise stattfinden kann.

Partner und Angehörige - aber auch Ärzte von depressiven Patienten - bemerken, dass sie mit dem Depressiven nicht klar kommen, weil sie ihn nicht erreichen können.

Er reagiert nicht auf ihre Ansprache und sie bekommen nicht die gewohnte, sonst als selbstverständlich zu erwartende Reaktion.

Verwandte und Freunde von depressiv Kranken berichten davon, dass sie den Depressiven aus seiner "Ohnmacht" aufrütteln möchten, um ihn wieder zurück in die Welt zu holen.
Sie wählen dieses Verhalten, weil sie glauben, der Passivität des Depressiven aktiv begegnen zu müssen, und weil sie sich nicht vorstellen können, wie es im Inneren des Kranken aussieht.
Durch die häufig unerschütterlich stereotypen Reaktionen des unter der Depression Leidenden werden sie dann vielleicht erst einmal ärgerlich und fühlen sich möglicherweise auch dafür schuldig.
So kommt es für Menschen in der näheren Umgebung des Kranken zu komplizierten inneren Verwicklungen, die zwar nicht so schwerwiegend sind, aber durchaus eine Ähnlichkeit mit den inneren Zuständen des Depressiven haben.

Vielleicht ist es hilfreich für Sie, zu erfahren, dass es verschiedene wissenschaftliche Studien gibt, in denen die Kommunikation von depressiven Menschen untersucht worden ist:

Der amerikanische Psychologe James C. Coyne ließ 45 Studentinnen mit je 15 depressiven und 15 nicht-depressiven psychiatrischen Patienten sowie 15 gesunde Personen 20 Minuten lang telefonieren.
Anschließend wurden die 45 Studentinnen getestet.
Die Studentinnen, die mit Depressiven telefoniert hatten, waren depressiver, aber auch ängstlicher und ärgerlicher gestimmt als diejenigen, die mit den nicht-depressiven psychiatrischen Patienten oder den gesunden Personen gesprochen hatten.
Die Übertragung von depressiven Stimmungen, aber auch das Auslösen von Ärger scheint ein normaler, so gut wie alle Menschen betreffender Mechanismus zu sein.

Eine andere Studie untersucht das Verhältnis von Ärzten und depressiven Patienten.
Dabei wurden Videoaufnahmen gemacht, anhand derer man die Körperhaltungen von Ärzten und Patienten verglich.
Es konnte gezeigt werden, dass die Ärzte ihre Bewegungen stärker einschränkten, als dies ihre depressiven Patienten taten.
Sie hielten bei den Gesprächen mit ihren Patienten die Köpfe im allgemeinen tiefer gesenkt als ihre Patienten.
In dieser unbewussten Überanpassung an ein starres und gebeugtes Bewegungsmuster sah Frey vor allem eine Abwehr gegen die im Kontakt mit den depressiven Patienten drohende Leere und Gefühlsverunsicherung.
Bei der Besserung des Zustands der Patienten beobachtete Frey eine schnelle Auflockerung der auf die Ärzte übertragenen Bewegungs- und Haltungsmuster.

Diese in zwei verschiedenen Studien unabhängig voneinander gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass depressive Stimmung und Haltung durch bewusst meist nicht wahrzunehmende und somit kaum zu steuernde Mechanismen und Signale übertragen werden.
Und dass damit zu rechnen ist, dass die Depression eines Partners oder eines nahestehenden Verwandten jeden - vielleicht mehr oder weniger - überraschend in Mitleidenschaft ziehen und in ein Labyrinth unbekannter und unerklärlicher Gefühle verstricken kann.

Irgendwann fühlen Sie sich vielleicht nach jedem Kontakt und Gespräch mit dem Kranken ähnlich erschöpft, leer und verwirrt wie dieser selbst.
Es scheint so, als ob es hier zu einer "Gefühlsansteckung" kommt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit dieser Übertragung der Depression umzugehen:

Die normale Reaktion ist eine Schutzreaktion, die bei allen Menschen, die häufig mit dem Kranken in Kontakt sind, beobachtet werden kann.

Verwandte oder Partner schützen sich durch Kritik und Kontrolle des Depressiven.
Sie schaffen sich so eine Position, in der sie sich erst einmal sicher fühlen, weil sie den Kranken und auch ihre Gefühle auf diese Weise gut beherrschen können.
(Ärzte oder das Pflegepersonal in Kliniken schützen sich in einer ähnlichen Weise, indem sie sich in rein medizinische oder pflegerische Tätigkeiten zurückziehen.)
Allerdings führt diese durchaus verständliche Schutzreaktion fast immer zu einer Blockade der Kommunikation.
Das Problem, gegen das man sich zu schützen versucht, besteht weiterhin.
Es löst sich nicht von allein - und es kommt so zu einem Verdrängen sich anhäufender Spannungen, die wie eine Zeitbombe unter der Oberfläche weiter ticken und - wenn schon nicht zu einer Explosion - auf jeden Fall zu einer Verstärkung der gegenseitigen Verunsicherung führen.
Dieser "Teufelskreis" lässt sich sehr einfach darstellen, und Sie sollten sich vor Augen führen, dass die normalen, oben kurz beschriebenen Schutzreaktionen bei einem längerem Andauern einer depressiven Erkrankung keine ausreichende Lösung sind.

Gaetano Benedetti sagt, dass erst aus dem Prozeß der Identifikation mit dem Patienten bis in die Entleerung hinein ein gestaltendes Eingreifen, also ein heilender Einfluß möglich wird.
Erst wenn der Partner sich vorstellen kann, welche Leere der Patient in sich empfindet, erst wenn er dieses Gefühl nachvollziehen kann, wird er ihn verstehen können.

Identifikation bedeutet hier also nicht Mit-Leid und mit-leiden, sondern Mitgefühl.
Der Partner des depressiven Menschen findet in der Übertragung der Gefühle einen Schlüssel und einen Zugang zum Verständnis des Kranken.
Dadurch, dass er jetzt selbst erfährt und spürt, wie sich der andere fühlt, kann er nun mitfühlend helfen und so den oben aufgezeigten Kreislauf depressiver Kommunikation unterbrechen.

Daniel Hell, der hier bereits mehrfach zitierte Ärztliche Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, schreibt:
"Wenn die Partner von Depressiven zuerst in ausgeprägter Weise angstvoll und gereizt reagieren, so unterscheiden sie sich in dieser gefühlsstarken Reaktion von den depressiven Patienten, die ihre eigenen Gefühle nicht mehr so stark erleben können.
Ihre heftige emotionale Reaktionsweise spiegelt ein Vermögen wider, das Depressiven während der Erkrankung gerade abgeht.
Sie reagieren auf die erlebte Gefährdung mit Angst und Wut, Trauer oder Hoffnung und haben in aller Verunsicherung eine mehr oder weniger ausgeprägte Emotionalität zur Verfügung, die ihnen auch hilft, mit der Bedrohung fertig zu werden..."
Ein stark gefühlvolles Antworten des Partners muss für den depressiven Patienten nicht von Nachteil sein...,
eine gefühlsstarke Reaktion gibt dem Patienten auch die Chance, an dieser Reaktion teilzunehmen....
Eine solche positive Verarbeitung setzt (beim Depressiven) aber das Wissen voraus, vom Partner als Person akzeptiert zu sein.

Das Akzeptieren und das Äußern der wirklichen Gefühle gibt sowohl dem Depressiven als auch seinem Partner die Möglichkeit, aus dem Teufelskreis der depressiven Kommunikation auszusteigen.

Vielleicht wird das, was hier als Möglichkeit eines heilsamen Einflusses des Partners auf den Kranken beschrieben ist, für den einen oder anderen durch die nachfolgende Darstellung und den Vorschlag zur Verbesserung der Kommunikation mit einem depressiven Partner konkret und praktisch nachvollziehbar.


Was Sie zur Verbesserung der Kommunikation mit Ihrem depressiven Partner tun können.
Indem Sie Ihr Verhalten gegenüber Ihrem Partner bewusster gestalten, lernen Sie seine Krankheit besser zu akzeptieren und werden auch fähig, Ihr Mitgefühl auszudrücken.

Damit Sie für sich einen eigenen Zugang finden und die Kommunikation vom Monolog zum Dialog entwickeln können, möchten ich Ihnen folgendes vorschlagen:

Setzen Sie ein- oder zweimal pro Woche einen speziellen Gesprächstermin von etwa 2 Stunden an, um in dieser Zeit miteinander in Austausch zu kommen.

Erzählen Sie Ihrem Partner, welche Gedanken, Gefühle, Sorgen und Pläne Sie mit Ihrer Beziehung zu ihm haben.

Nach 30 Minuten tauschen Sie.
Ihr Partner erzählt nun und Sie hören ohne zu unterbrechen zu.

Sie können dieses Gespräch zusätzlich durch die Fragen des folgenden 7-Schritte-Konzeptes steuern und stützen.


Sieben Schritte zum Dialog
Fragen zur Steuerung des Gespräches
1. Problemanalyse, Situationsanalyse, Erörterung von allen Seiten

Worin besteht das Problem?

Wie lässt es sich beschreiben?

Was sind meine und deine persönlichen Interessen?

2. Zieldefinition

Wie können wir unsere Situation zusammen, verbessern?

Welche gemeinsamen Ziele haben wir?

3. Suche von zielgerechten Problemlösungen

Welche Ideen, Lösungsansätze haben wir?

Welche Alternativen gibt es dazu?

4. Bewertung und Auswahl der entwickelten Vorschläge

Wie wollen wir die Lösungen bewerten?

Wie können wir die Lösungen umsetzen?

Welche Vor- und Nachteile haben die vorgeschlagenen Lösungen?

5. Entscheidungsfindung,
finden der besten Lösung

Auswählen der für uns besten Lösungen!

6. Erstellen eines Aktionsplanes,
Umsetzung in Handlung

Wer macht was?

Wie soll es gemacht werden?

Wann wird es gemacht?

7. Kontrollphase, Realisierung

Umsetzung?

Wo gibt es Abweichungen?

Was können wir verbessern?




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möchte ich Sie gerne auf zwei Schriftsteller, Frau Dr. Wolf und Herrn Dr. Merkle aufmerksam machen, die beide "Psychologie" studiert haben.
Ihr exzellenter Ruf der weit über deutsche Lande hinaus geht, ist sicher dadurch begründet, dass Sie Ihre therapeutische Qualifikation durch Studien in den vereinigten Staaten vervollständigt haben.
Herr Dr. Rolf Merkle hat z.B. dort an der Universität von Kentucky studiert.


Dieser Hinweis würde hier nicht stehen, wenn ich selbst nicht schon einige Werke gelesen hätte und viel für mich daraus schöpfen konnte.
Es wird da auf einfach verständliche Art geschrieben und es ist mir dadurch nicht schwer gefallen "anzunehmen"!!!



 
© 2004 by Hubert Wissler created by Hubert Wissler, Ludwigsburg-Poppenweiler