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* Jenseits der Erfahrung *

Vor mir lag die unabschätzbare Weite eines Landes, orange farbener Sand - eingetaucht im Schein einer untergehenden rotglühenden Abendsonne - umspielte meine darin einsinkenden Füße.
Sand, nichts als Sand, bis zum Horizont.


Ein alter verlassen wirkender Bahnhof - vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammend - zeichnete sich seitlich links neben mir als schwarze Silhouette etliche Meter entfernt ab.
Kein Lebewesen war weder zu sehen noch zu hören.
Allein - vor dieser Hintergrundkulisse - merkte ich, dass ich keine Fragen mehr hatte.
Auch Zeit, Weg und Ziel erschienen unwichtig.
Die Schönheit der Abenddämmerung genießend betrachtete ich gelassen das wie aus einer Filmszene geschnittene Bild.

Unerwartet kam Bewegung und Leben in die Szene.
Ein schwarzes Pferd näherte sich mir wiehernd von hinten.
Ich drehte mich um, es raste kraftvoll galoppierend und scheuend an mir vorbei.
Staubiger Sand wurde von den stampfenden Hufen aufgewirbelt.
Das Pferd zog die Deichsel einer Kutsche mit seinem Geschirr hinter sich her.
Einfangen und weiter reiten - das war mein erster Gedanke - wäre die Lösung gewesen, um auf dieser Reise durch den Sand schneller voran zu kommen.
Aber binnen Sekunden war das Tier aus meiner Sicht hinter der Bahnhofskulisse verschwunden.

Meine Aufmerksamkeit war jetzt jedoch hellwach.
In der dunklen Bahnhofsruine mit davor befindlichen alten Schienensträngen, intakter Überdachung, schmiedeeisernen Geländern und Pfosten, am Eingang herumliegenden Wagenrädern und anderen Teilen einer Kutsche bewegte sich etwas.
Es kam zögernd auf mich zugelaufen:
ein schwarz-weiss gescheckter Collie.
Angestrengt hechelnd näherte er sich mir, unsicher mit duckender Körperhaltung.
Das merklich geschwächte Tier schien Schwierigkeiten mit der Atmung zu haben und verdrehte bei jedem Innehalten in seiner Bewegung erschöpft kurz die Augen, der Hund war vermutlich aus Luftnot einer Ohnmacht nahe.

Mit zärtlicher Stimme lockte ich den Hund beständig, zu mir zu kommen.
Der Collie näherte sich mir tatsächlich zögerlich und vorsichtig, wich immer, wenn ich meinte, ihn anfassen und streicheln zu können, auf 2 Meter Distanz zurück.
Doch je länger ich mich mit dem Hund beschäftigte, desto mehr Vertrauen entwickelte er.
Nun war er ganz nah bei mir.
Es gelang mir, ihn an seinem Lederhalsband festzuhalten.
Der Hund setzte sich ruhig hin und schaute mir in die Augen.

Das Lederhalsband war sein Problem.
Es war viel zu eng und schnürte ihm unter seinem dichten Fell in den Hals.
Ich suchte den Boden nach einem spitzen Gegenstand ab, um das Halsband durchschneiden zu können, aber überall, wo ich hinblickte, war Sand, nichts als Sand.
Aus der Hocke aufschauend sah ich, wie sich mir von vorne - aus der Bahnhofskulisse herauskommend - Menschen näherten, darunter auch ein paar halbwüchsige Kinder, alle in einfacher Landbekleidung.
Nun standen sie in einer Reihe vor mir, schauten mich und den Hund in meinem Arm schweigend an, keiner von ihnen sagte auch nur ein einziges Wort.

"Hat jemand von euch ein Messer oder eine Schere dabei, man muss das Halsband durchschneiden, es schnürt dem Hund die Luft ab !"
Der Collie unterstrich meine Bitte mit einem bestätigenden Winseln.
Der Wüstenwind rauschte unentwegt über die Sandflächen.
Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis aus der Gruppe ein etwa 12-jähriger dunkelhaariger Junge auf uns zukam.
Er sagte ruhig aber bestimmt:
"Messer und Scheren - so etwas haben wir hier nicht, aber in deiner Küchenschublade liegt eine Schere!"
"Da komme ich jetzt nicht ran," antwortete ich, ohne darüber nachzudenken, woher der Junge von der Schere wissen konnte.
"Ich hole sie dir," sagte er, ohne seinen Tonfall auch nur geringfügig zu verändern, ging weg, verschwand hinter der Menschenreihe, kam mit meiner großen Schere wieder und reichte sie mir.

Das war tatsächlich (!) meine Schere.
Ich erkannte sie sofort, dachte aber nicht weiter darüber nach, wie um alles in der Welt diese Menschen hier an meine Küchenschere gekommen sein konnten und schnitt kurzerhand dem armen Tier das würgende beigefarbene Lederhalsband vom Hals.
Danach legte ich die Schere auf den Boden.
Sichtlich erleichtert schüttelte sich der Collie und genoss es dankbar, am Hals gestreichelt zu werden.
Als ich mich aufrichtete, blickte ich auf die Stelle, wo ich die Schere hingelegt hatte, aber sie war verschwunden.

Nachdenklich betrachtete ich den Sandboden und bemerkte, dass er an dieser Stelle immer durchscheinender wurde, so dass ich in meine Küche sehen konnte.
Was war nur geschehen?
Meine Schere lag in der noch geöffneten Küchenschublade.
Wie war das möglich?
Während ich versuchte nachzudenken, versank die Abendsonne hinterm Horizont, Hund und Menschen waren in dem plötzlichen Dunkel der Nacht verschwunden.
Als ich aufwachte erkannte ich, eine Grenze im Unterbewusstsein überschritten zu haben.

"Nur ein Traum," murmelte ich.
Zurückgekehrt in die Realität eines neuen erwachenden Tages wurde mir bewusst:
Ich befand mich jenseits der Erfahrung, einer hilflosen treuen Seele in einer anderen Welt würgende Bedrängnis, Qual und Zwang genommen zu haben.
Der Traum stimmte mich zufrieden, glücklich und traurig zugleich, denn jenseits der Erfahrung unterbleibt die Antwort auf die aufkommende Frage:
"Wer schafft es nach mir, diesen verlassenen alten BAHNHOF DER TRÄUME zu finden, um letztendlich auch das scheuende schwarze Pferd - taub geworden für jedes liebevolle Wort - zu fangen, damit es von seiner Last und Furcht befreit werden kann?"
Text und Idee: Ingrid Heinrich



Die Autorin, Frau Ingrid Heinrich,

stellt mir Ihre Werke kostenfrei zur Verfügung und so ist es Ehrensache, dass ich hier auf ihre Homepages:
www.kreativausflug.de
www.kreativausflug.de/pageID_940320.html
www.vitasoma.com/200532
www.outsourcing-heinrich.de
hinweise.


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Serie "Katzengeschichten"
* Teil 1 * Teil 2 *
Roman:
Eine bezaubernde
Love-Story aus dem Katzenparadies "Katzanien"
* Teil 1 * Teil 2 * Teil 3 * Teil 4 *
* Teil 5 * Teil 6 * Teil 7 * Teil 8 *

Fortsetzung von
"Katzanien"
"Wolken über Katzanien"
* Teil 1 * Teil 2 * Teil 3 *
* Teil 4 * Teil 5 * Teil 6 * Teil 7 *
* Thema "Orakel" *
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